Stunden im Garten

von Anita Schweig-Bourg (2007) www.spiritsofgarden.inf.lu

Irgendwo auf Nachbars Wiese hört man ein Schaf blöcken und um mich herum ein leises Summen, allerlei Insekten.

Es weht kein Lüftchen und die Sonnenstrahlen, die Wärme und der Duft des Gartens tun mir wohl. Im Garten zu frühstücken ist ein großes Stück Luxus, den es zu genießen gilt. Von meinem Frühstückstisch, auf dem Kaffee, Brot, Butter und eine Schale mit Erdbeermarmelade steht, blicke ich direkt auf mein viktorianisches Gewächshaus.

Das Fundament ist aus roten Backsteinziegeln gebaut, die obere Gewächshauskonstruktion, aus Eichenholz, ist mit weißer Farbe gestrichen. Very British sieht das Ganze aus.

Hunderte von kleinen und größeren Tontöpfen, gefüllt mit Pelargonien, stehen darin. Die Blüten sehen aus wie kleine Gesichter. Sie erinnern an Veilchen, die, wie ich finde, auch solch liebenswürdige Gesichtlein haben.

Würde man nicht wissen, dass sich Pelargonien im Gewächshaus befinden, so könnte man es von hier aus nicht erahnen. Im hinteren Teil des Pflanzenhauses wächst ein etwas eigenartiger Zitronenbaum mit langen Stacheln, dessen Name ich nicht mehr weiß. Er ist schon am Gewächshausfirst angekommen und sieht sehr tropisch aus. Weil mein Glashaus so mit Pflanzen gefüllt ist, erinnert es an den Süden, ich kann mich nur schwer von seinem Anblick trennen.

Mein Blick schweift zum alten Reneklodenbaum rechts vom Gewächshaus.

Er stand schon immer da, trägt kaum noch Früchte. An seinem Fuße klettert ein panaschierter Efeu, welcher es schon bis in die Krone geschafft hat. Mit Efeu eingekleidet sind auch die beiden hölzernen Nistkästen. Die Frontseite muss ich immer freischneiden, damit die Vögel gut ein und ausfliegen können. So sorgt dieses immergrüne Gewächs für optimale Wärme im Innern der Häuser. Im Winter sind sie vor eisiger Kälte geschützt und im Sommer vor allzu großer Hitze. Zudem wird es darin nicht feucht.

Aus Nistkasten 1  piepst es.

Eine Kohlmeisenmutter fliegt unermüdlich und besorgt den Jungen Insekten, deren Larven und andere Kleintiere. Unweit vom Nistkasten sitzt der Vogelvater auf einem Ast und schiebt Wache. Bei den Männchen ist der schwarze Mittelstreifen auf der gelben Unterseite breiter und intensiver gefärbt als bei den Weibchen. Ich gehe davon aus, dass er der Vater ist. Kohlmeisenmama füttert von draußen. Sie passt nicht mehr ins Innere des Nisthauses. Die Jungen sind schon zu groß und werden wohl bald flügge.

Si tüit…..si tüt schäschäschä…si tüit…si…., ruft Kohlmeisenvater.  Ze ze tät ze ze tät klingt der Bettelruf der Kleinen, etwas quengelnd, und schon kommt die Mutter mit einem Leckerbissen angeflogen. Ze ze tät ze ze tä….

Mein Blick führt mich nun zu einem anderen Baume, der Goldakazie. Sie steht etwas näher am Haus und sorgt für Farbkontrast, denn links von ihr steht ein purpurroter Perückenstrauch. Die Goldakazie ist ein Schmetterlingsblütler, wie man an den 10-25cm langen, hängenden und vielblütigen weißen Trauben unschwer erkennen kann. Er blüht von Mai bis Juni. Seine Blätter sind wechselständig, unpaarig gefiedert und von einem wundervollen Zartgold. Seine Borke ist schon relativ dick, längsrissig und tief gefurcht, gräulich, ins Braune übergehend. Robinia pseudacacia“Aureus“ ist Futterquelle für unzählige Insekten, welche sich an den Blüten laben.

Ein unaufhörliches Summen. Die Blüten fallen in Zeitlupentempo ab. Ein Blütenregen. Unter seinem Fuße, der mit einem Rondell aus Buchsbaum umgeben ist, liegt ein weißer Teppich aus abgefallenen Blüten. Ein wundervolles Bild. Es duftet nach Provence, nach den Hügeln des Luberon.

Augenblicklich bin ich am Träumen, möchte verreisen.

Hinter mir wachsen drei verschiedene Kletterrosen, dessen Namen ich auch nicht mehr weiß. Keine der drei duftet, aber blühen tun sie unermüdlich und in einer solchen Fülle, dass man ihnen gerne verzeiht, dass sie nicht duften. Aus der Provence bin ich in meinem englischen Garten angelangt. Rosa, Rot und Weiß fließen ineinander. An der weißen Hauswand, mit ihren ebenfalls weiß gestrichenen Fenstern und den grünen, hölzernen Klappläden, besticht diese Rosenpracht mit ihrer ganzen Schönheit. Alljährlich hoffe ich, mögen sie doch dieses Jahr genauso üppig blühen wie im letzten. Mein Wunsch erfüllt sich immer wieder. Enttäuscht haben die Rosen mich noch nie.

Nun muss ich wieder meiner Nase etwas Gutes tun. Ich wende mich zu meiner größten Pelargonie, der Schmetterlingspelargonie, zurück zum Frühstückstisch.

Diese steht in der Ecke und füllt den ganzen Platz aus. Mein Exemplar hier ist schon einige Jahre alt, und hat einen knorrigen Stamm. Die Blüten dieser botanischen Wildform tanzen wie ein „Papilio“ auf den Blättern, winzige rosa Blüten mit tiefpurpurnen Saftmalen an den oberen Blütenblättern. Reibt man ein Blatt zwischen den Fingern, riecht es irgendwie nach Zitrone. Angeblich soll man die Blätter einmal geraucht haben! Nach was das wohl geschmeckt hat und wofür es gut gewesen sein soll? Ich habe es nicht herausgefunden. Wahrscheinlich hat das Ganze einen medizinischen Grund gehabt. Ob sie heute in Afrika noch geraucht werden weiß ich auch nicht.

Es tun sich einige Wolken auf. Weiße Wolken ziehen über das Gewächshaus hinweg. Manche sehen aus wie Tiere. Da flieht gerade ein Drache am Himmel. Doch schon nach einigen Momenten verwandelt er sich in einen Schwan. Da hinten fliegt nun ein Hase.

Mir wird bewusst, dass mein Garten weitaus mehr ist als nur ein bepflanztes Stück Land. Ich trage Verantwortung für dieses Stückchen Erde was mir das Gefühl von Heimat gibt, das Gefühl der Freundschaft mit Blumen, Bäumen und Erde. Hier in meinem Garten komme ich zur Ruhe. Er gibt mir die Kraft und Mut wenn in meiner Seele wieder die Schwermut herrscht, ich von einer traurigen Melancholie aufgesucht werde. In diesen Stunden zieht es mich in meinen geliebten Garten. Und wenn ich dann mit Gartenkorb, Hacke, Rechen und Heckenschere bewaffnet, die Hecke vom meterhohen Unkraut befreie, ist die Welt für mich in Ordnung. Es sind die Stunden im Garten, welche mir sagen, was das Wort „Glück“ bedeutet.

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