Siegeszeichen und ewige Erzählungen
Die Fahrt über die Alpen nach Italien gleicht einer Geburt.
Wenn die schier ewigen Tunnel hinter uns liegen, wenn die engen Täler der mächtigen dunklen Alpengipfel überwunden sind, badet man plötzlich in einem so ganz anderen Licht. Dem warmen Licht des Südens. Hier sollte man sich eine kleine Pause gönnen und eine Anhöhe erklimmen. Mit seinem tiefen Blau schenkt der Gardasee eine Zuversicht, die besser nie vergehen sollte. Man will etwas zwischen tiefer Empfindung und Dolce Vita ahnen.
Verstörende Siegeszeichen
Dort, wo die Taille des Sees am engsten geschnürt ist, nehmen wir die Fähre nach Gardone Riviera. Unser Ziel ist das „Siegeszeichen der Italiener“, das „Vittoriale degli italiani“ des italienischen Dichters Gabriele D´Annunzio. Der Vertreter des spätromantischen Symbolismus lebte hier von 1920 bis zu seinem Tod 1938. In diesen Jahren hatte der Bestsellerautor Zeit, einige Siegeszeichen zu sammeln und diese in seinem über dem See gelegenen Anwesen, na nennen wir es ruhig wie es ist: aufzustellen. Schon der Eingang verstört ein wenig. Man meint in einen von Zinnen bewehrten Burghof zu treten. Die Fassade des Hauses ist seltsam komisch: wie die hochdekorierte Jacke eines K + K Generals, über und über mit Wappen verziert. Der Garten bietet ruhige römisch anmutende Parterres sowie zwei Kampfschiffe, die hier den Berg hinaufgezogen wurden. Krönung der Anlage ist das Mausoleum des Dichters und Mussolinifreundes. Baustile prallen hier aufeinander: mal bossierte Steinmauern, dann wieder Betonburgen. Scheinbar musste alles schnell gehen. Kunstwerke stehen sich gegenseitig im Weg herum. Trotzdem ein beliebtes Besuchsziel, seit Jahrzehnten.
Poetischer Märchenwald
Mein Befremden schwindet allmählich in den hübschen Gassen von Gardone auf dem Weg zum Giardino Botanico des Dr. Hruska. Andre Heller hat den Garten des Pflanzensammlers übernommen und behutsam mit Kunstwerken versehen. Die Wege zieren bunte Keramikfiguren und Bänder aus Farben, die sich nicht aufdrängen, eher das Spiel von Licht und Schatten des Bambus aufnehmen. Ein Elefantengott ruht am Eingang. Zuviel des Guten? Herr Heller verweist auf seinen Vorbesitzer. Der österreichische Professor Dr. Arthur Hruska, Zahnarzt des letzten Zaren, hatte hier das ehrgeizige Projekt, Alpen- und Tropenpflanzen in einer Anlage zu vereinigen und einen Weltgarten mit Feuchtgebieten und Landschaften aus Tuff zu schaffen. Eigentlich braucht man nur eine Viertelstunde, um den steilen, kleinen Park zu durchqueren. Doch der Weg erscheint wie eine Wanderung durch einen Zauberwald. Da liegen, verwunschen wie im Märchen, trübe Teiche, dick bedeckt mit Seerosen inmitten von Bougainvilleenbüschen, Farne ranken sich wie zufällig dazwischen. An anderen Stellen glaubt man, im tropischen Regenwald angekommen zu sein: Dicke Bambusstämme, Palmen und Lianen lassen kaum Licht durch die grüne Pflanzendecke fallen. Meterhohe Baumfarne wuchern neben Granatapfelbäumen. Holzstege schaffen Brücken zwischen den Pflanzeninseln und führen vom tropischen Dickicht in Parklandschaften.
Wer sich auf die kleinen Pfade durch den grünen Irrgarten begibt, wird immer wieder von indischen Steinelefanten und bronzenen Objekten geführt. André Heller wusste die Magie dieses Ortes richtig in Szene zu setzen und installierte zwischen den Rhododendronbüschen Skulpturen von Roy Lichtenstein, Mimmo Palladino und Keith Haring. Ein Prachtstück ist auch das Gartenhäuschen des Künstlers Edgar Tezak, das als kleine Lodge frech aus dem Bambuswald leuchtet.
Der direkte Vergleich der beiden Selbstdarsteller D´Annunzio und Andre Heller ist spannend und wie eine Wanderung zwischen der dunklen und der hellen Seite der Verrücktheit.
Unter Verwendung von Texten aus: Der Standart
Christoph Laade